Messer schärfen wie ein Profi: So machst du stumpfe Klingen wieder rasiermesserscharf

Es gibt gefühlt tausend Techniken und Produkte für viel Geld, die alle einen Zweck erfüllen sollen: ein stumpfes Messer scharf zu bekommen. Da ich mich nicht mit allen Produkten auf dem Markt auskenne, sondern eher ein Minimalist bin, kann ich zu den verschiedensten Techniken und Produkten nichts Qualifiziertes sagen. Stattdessen möchte ich euch kurz die technischen Grundlagen des Schärfens erklären und euch dann zeigen, wie man mit minimaler Ausrüstung und vor allem wenig Kosten ein Messer auf haarspalterische Schärfe bekommt!

Dieses Tutorial ist auch als Video auf meinem Youtube Kanal verfügbar!

Ich selber komme aus der Survival/Bushcraftszene und auf Touren und Expeditionen gibt es natürlich auch die Notwendigkeit, seine Messer zu schärfen. Das geht entweder mit einem kleinen Schleifstein – oder selbstverständlich auch mit irgendeinem Stein, der dort draußen rumliegt und einigermaßen grade Flächen hat. Unter anderem aus diesem Grund schleife ich Messer immer frei Hand, wobei ich den Schleifstein in einer Hand halte. Das ist etwas unorthodox und auch ein bisschen gefährlich. Aber ich habe es halt so gelernt. Wenn ihr mit dem Schleifen anfangt, versucht es bitte gleich richtig! Schleifstein auf einer Antirutsch-matte auf den Arbeitstisch und gleichmäßige Bewegungen aus dem Unterarm. Aber bevor es losgeht, lasst uns doch erst einmal gemeinsam verstehen, was beim Schärfen eigentlich genau passiert und worauf es ankommt.

Was genau passiert beim Schärfen?

Eigentlich ist es ganz einfach, aber ein paar Grundüberlegungen führen dennoch dazu, dass einige der oft gezeigten Techniken und Annahmen eigentlich überdacht werden müssten. Idealerweise ist die Sekundärphase eures Messers ein spitzer Keil. Die Schneidkante vorne sollte möglichst fein sein. Ist ein Messer stumpf geworden, ist die vorderste Spitze abgerundet. In diesem Fall müssen beide Seiten des Keils etwas abgetragen werden, damit es wieder eine feine Schneide gibt. Wenn eine Seite wieder flachgeschliffen wurde, bildet sich vorne der sogenannte „Grat“. Das sind kleine Spähne und feine Strukturen, die vom Schleifstein weg über die Schneidkante gebogen werden. Dieser Grat hat eine Licht- und eine Schattenseite.

Die Lichtseite des Grates

Wie gesagt bildet sich der Grat, wenn eine Fläche korrekt geschliffen wurde und biegt sich über die entgegengesetzte Seite. Tatsächlich lässt sich der Grat, zumindest bei gröberen Schleifkörnungen, mit den Fingerspitzen erfühlen. Läuft der Grat gleichmäßig über die gesamte Seite der Schneide, ist das ein Indikator, dass ihr eine Seite fertig geschliffen habt und die Seite wechseln könnt. Einmal etabliert, benötigt ihr nur noch wenig Arbeit, um das Schärfen abzuschließen. Wechselt die Seite und anschließend auf eine feine Körnung. Fertig! Eigentlich…

Die Schattenseite des Grates

Der Grat bildet sich beim korrekten Schleifen immer – egal wie fein die Körnung ist. Man kann mit alternierenden Schleifzügen zwar den Grat reduzieren, aber ganz weg geht er nicht. Trifft euer Messer nun auf härteres Schnittgut, so wird der Grat um die Schneide herumgebogen und lässt das Messer stumpf erscheinen. Ihr habt sicher schon einmal Köche mit dem Wetzstab in hoher Geschwindigkeit über die Schneide ihres Messers ziehen sehen. Fälschlicherweise wird oft angenommen, dass sich die Schneidkante umbiegt und wieder grade gebogen werden muss. Aber eine stabile Schneidkante lässt sich nicht ohne weiteres unbiegen – probiert es ruhig mal aus (aber nicht bei eurem teuersten Messer!) – und erst recht nicht mit einem Wetzstahl wieder gradebiegen! Stattdessen geht es darum, den Grat wieder aufzurichten – ein Problem, das eigentlich nicht existieren würde, wenn es eine Möglichkeit gäbe, den Grat loszuwerden.

Es ergibt sich aus dieser Beobachtung also die Notwendigkeit, den entstehenden Grat anders zu entfernen. Wie wir das machen können, zeige ich dir weiter unten.

Freihandschleifen mit Steinen

Viele Leute haben Angst, in dieses Thema einzusteigen. Es erscheint ihnen zu schwierig zu erlernen und die Auswahl an verschiedensten Schleifmitteln erscheint ihnen möglicherweise zu unübersichtlich. Daher möchte ich dir an dieser Stelle ein paar bestechende Argumente für das Freinhandschleifen nennen und dir anschließend zeigen, wie du für sehr schmales Budget ein absolut ausreichendes Set zusammenstellst!

Es ist die universellste Methode!
Klingengröße und Form spielt keine Rolle, im Gegensatz zu den meisten anderen Schärfmethoden bist du in der Lage, jede Messerklinge in jeder Situation scharf zu bekommen.
Es geht schnell!
Mit der richtigen Technik hast du innerhalb weniger Minuten aus einer stumpfen Klinge ein Rasiermesser gemacht! In der Zeit hast du einige der Apparaturen, die es zu kaufen gibt, nicht mal aufgestellt.
Es ist günstig!
Mal ehrlich, ich möchte niemanden zu nahe treten, aber wenn ich mir die Preise einiger Hersteller für ihre Eigenproduktionen ansehe, komme ich oft in Kopfschütteln. Für ein scharfes Messer brauchst du nur Equipment, dass wenige Euros kostet.
Es wird scharf!
Mit der richtigen Technik spaltest du schon bald Haare – wörtlich gemeint! Das schaffen so einige teure Geräte aus dem Handel nicht!

Das ist ja alles schön und gut – aber wie soll man unter all diesen unterschiedlichen Schleifsteinen das Richtige finden und wie lerne ich das Schärfen?

Um es kurz zu machen, es gibt eine Reihe von hochwertigen und auch etwas preisintensiveren Wassersteinen, das ist ein Thema für sich. Wer sich dort einarbeiten möchte, findet sicherlich tolle Lösungen. Ich möchte es aber an dieser Stelle ganz einfach halten. Was ist das abtragsreichste Schleifmittel für Stahl? Na klar, Diamant. Es gibt mittlerweile doppelseitige Diamantsteine für wenige Euros, keine Ahnung, wie sie das geschafft haben, aber ich habe noch keinen Haken gefunden. Diesen hier verwende ich selber.
Da wir ja mittlerweile wissen, dass es in erster Linie darauf ankommt, beidseitig einen Grat zu erzeugen, reicht uns eine Kombination aus einem eher groben und einem eher feinen Korn. In meinem Falle ist das K400/K1000. Die grobe Seite hilft uns, schnell die Schneidkante wieder herzustellen, mit der feinen Seite können wir in wenigen Zügen das Schleifbild verfeinern. Wer möchte, kann nun noch einen hochwertigen Keramikstein mit feiner Körnung nehmen, um das Schleifbild weiter zu verfeinern, aber für den Normalanwender reicht es, sein Messer mit der 1000er Körnung zu schleifen. Alternierende Züge helfen am Ende, den Grat zu reduzieren. Als Abschluss benötigen wir eine Polierpaste, um den Grat endgültig zu entfernen. Diese Paste wird auf die raue Seite eines Stückes Wildleder oder einem Stück Weichholz aufgetragen und die Schneide von der Schneidkante weg locker ein paarmal von jeder Seite darüber gezogen. Wurden alle Schritte richtig durchgeführt habt ihr nun eine haarspaltende Klinge, die darüber hinaus ihre Schärfe auch länger hält (durch den entfernten Grat).

Zusammengefasst:

  • Mit groben Diamantstein den Anschliff erneuern bis ein Grat fühlbar wird, dann Seite wechseln (Ist der Anschliff bereits etabliert und das Messer nur etwas stumpf, entfällt dieser Schritt)
  • mit dem feinen Diamantstein mit ein paar Zügen pro Seite das Schleifbild verfeinern
  • optional: mit einem sehr feinen Keramikstein o.Ä. weiter verfeinern
  • mit Diamantpaste den Grat abziehen

Problemlösungen:
-Wie finde ich den passenden Winkel?
Nun ja, leider muss ich an dieser Stelle sagen, dass das vor allem Erfahrung ist. Ihr könnt euch eine Schablone basteln und versuchen, zu überprüfen, ob ihr den erwünschten Winkel habt. Freihandschleifen ist keine hundertprozentig exakte Methode, also wenn ihr vorher schon wisst, dass ihr einen Anschliffwinkel von 21,5° wollt, dann hilft nur ein System mit fein einstellbarem Winkel, wie dieses hier.
-Wie finde ich den Winkel eines bestimmten Messers heraus?
Das ist recht einfach: Ihr könnt als Hilfsmittel die Sekundärphase mit Permanentmarker bemalen und danach ein- zwei Züge über den Stein machen. So seht ihr schnell, ob ihr den korrekten Winkel erwischt habt.

Abschließend möchte ich noch eines sagen: wenn ihr ein bisschen mit dem Schleifen von Messern experimentiert habt, werdet ihr feststellen, dass die richtige Technik und vor allem die richtige Geometrie für die Schärfe und Schnitthaltigkeit eines Messers viel wichtiger ist, als welcher Stahl verwendet wurde. Ich kenne einen Youtuber, der ein Buttermesser zu einer besseren Performance gebracht hat, als so manch ein augewiesenes Outdoormesser, einfach über die Kontrolle der richtigen Klingengeometrie!

 

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